Künstlerisch-praktischer Unterricht

Der künstlerisch-praktische Unterricht hat einen hohen Stellenwert in der Waldorfpädagogik und steht gleichberechtigt neben den sachbezogenen Unterrichtsfächern. Nachfolgend geben wir Ihnen einen Einblick in die einzelnen künstlerischen und praktischen Fächer, die wir an unserer Schule unterrichten.

Musikunterricht an der Waldorfschule ist kein Nebenfach

Das Fach Musik zieht sich von Klasse 1 bis Klasse 13 hindurch und wird auch durch die Eurythmie und so manche Lieder in anderen Fächern, wie z.B. in den Sprachen begleitet.

Schwerpunkt der musikalischen Bildung ist das Singen. Das wird von Klasse 1 an ergänzt durch das Flötenspiel. Ab Klasse 3 lernen viele Kinder noch ein weiteres Instrument. So entstehen ab der Klasse 4 erste kleine Klassenorchester, die bei den fortgeschrittenen Schülern ab Klasse 7 im Schulorchester münden.

In der Mittelstufe kommen an unserer Schule noch viele Projekte dazu: in Klasse 5 das Opernprojekt (z.B. Mozarts „Zauberflöte“), in Klasse 7 das Trommeln, in Klasse 8 das Gitarrenspiel.

Neben dem Schulorchester (Klasse 7 bis Klasse 13) gibt es noch den obligatorischen Schulchor (Klasse 10 bis Klasse 13) mit dem alljährlichen großen Schulkonzert, in dessen Zentrum anspruchsvolle Werke klassischer Komponisten stehen.

In der Oberstufe wächst auch die gedankliche Auseinandersetzung mit Werken großer Komponisten – neben Chor, Orchester und dem immerwährenden Singen.

So sind die Schüler musikalisch und gedanklich gerüstet, in Klasse 12 bzw. in Klasse 13 das Fach Musik als Fachhochschulreife- bzw. als Abiturfach gut bewältigen zu können.

Christian Eichhorn, Fachlehrer Musik

„Man muss etwas bewegen, sonst bewegt sich nichts“
Liedtext, Xavier Naidoo

Die visionäre Kraft des Entwurfs der Waldorfpädagogik zeigt sich evident darin, welch ungeheures Gewicht schon bei ihrer Begründung auf die kindliche Bewegungsentwicklung gelegt wurde. Kaum eine Fragestellung der Erziehung erscheint in unseren heutigen Lebensbedingungen und Kulturzusammenhängen aktueller als die nach dem Einfluss, den die kindliche Bewegungsentwicklung auf die kognitiv-denkerischen, emotionalen und gestalterisch-willensmäßigen Fähigkeiten hat.

Wie werden die Sinne, deren Wahrnehmungsfähigkeit und dadurch ein soziales Vermögen ausgebildet?

Der Bedeutung dieser Frage entsprechend wird die Bewegungskunst der Eurythmie an unserer Schule mit zwei Wochenstunden unterrichtet. Das Spiel der kleinen Kinder ist uns ein Lehrmeister für die Freude an der bedeutsamen, schönen Bewegung. Jubel, Trauer, Spannung und Kraft, – alles offenbaren die jüngeren Schulkinder in ihren Bewegungen: Sie schlüpfen in Gestalten, in Tiere, in Wind, Welle, Luft und Licht und sprechen sich darin aus. Die Sprache erfüllt sich in ihren Gebärden. Ein ausgleichender Atem entsteht, wenn das Kind sich in seinen Bewegungen mit den Dingen der Welt verbindet. Über allem stehen die große Lebensfreude und der Tatendrang der Kindheit. Ebenso bedeutsam wie die Sprache bewegt die Musik die kindliche Gestalt mit Rhythmen, Melodien und Harmonien. Spannungen lösen sich in Übergänge auf, Streckung und Exaktheit geben Stärke und Sicherheit, Zusammenklänge vieler Stimmen lassen harmonisches Miteinander erleben.

Der Mensch, das Menschliche steht hierbei immer im Mittelpunkt

Wie stehe ich da? Wie bewege ich mich? Was drücke ich darin aus? Wie nehme ich den anderen dabei wahr? Was bewege ich – in der Welt? Bis zum Erleben dieser Fragen kann der Unterricht in der Mittel- und Oberstufe gehen. Das ästhetisch-künstlerische Element der Eurythmie kann sich in der Oberstufe realisieren. Klassische und zeitgenössische Werke der Sprache und Musik werden erarbeitet und in Bewegung umgesetzt. Hier schließt die Eurythmie eine Lücke, die in der Pädagogik oft offenbleibt, wenn die bildenden Künste und darstellenden Künste mit Theater, Chor und Orchester unterrichtet werden, aber nicht die Tanzkunst.

Quelle: http://www.waldorfschule.de

Zusammenstellung von Ulrike Kindler, Eurythmistin

Eurythmie ist eine Bewegungskunst

Eurythmie ist eine Bewegungskunst, welche Rudolf Steiner 1912 entwickelte und wurde 1919 als zentrales Fach im Lehrplan der ersten Waldorfschule aufgenommen wurde.

Sowohl der Lehrplan wie auch die Art des Unterrichtens in den Waldorfschulen fördert die Entwicklung des Kindes und Jugendlichen darin, ein freier und verantwortungsvoll handelnder Mensch zu werden.

Welche Aufgabe hat dabei die Eurythmie? In der Bewegung wird menschlicher Wille wirksam. Wenn ich etwas will – z. Bsp. ein Buch aus dem Regal nehmen, muss ich mich dabei in Bewegung setzten, sonst bleibt mein Vorhaben Wunsch oder Absicht. Heute ist das Bewegen auf ein Minimum reduziert, wir verarmen diesbezüglich mit wachsendem technologischem Fortschritt. Man kann die Frage haben, welche Folgen und Auswirkungen abzusehen sind in der Gegenwart und in der Zukunft. Eine Willensschwäche, ja sogar Willenslähmung durchzieht mehr und mehr unsere hoch zivilisierte Welt.

Die Eurythmie ist nicht nur Bewegung, sondern eine darstellende Kunst. Jede Kunst – im Gegensatz zum Handwerk – ist zweckfrei; ich kann es auch lassen. Zum einen heißt das, dass ich dort noch viel mehr Willen aufbringen muss, um etwas darzustellen, zu üben oder zum Erklingen zu bringen. Zum anderen ist diese Kunst materiell nicht messbar oder greifbar und steht nicht in einem lebensnotwendigen Verhältnis zum Menschen. Die Kunst vermittelt Schönheit, mit der sie unsere Seele nährt. Seelennahrung ist es, was wir heute im höchsten Masse brauchen!

Nicht der Gewinn, der Erfolg, der Ehrgeiz regen mich in der Eurythmie zum Bewegen an – kein äußerer Anlass zwingt mich in der Kunst zum Handeln. Ein Willenseinsatz aus innerster Seele wird Handlungsimpuls.

Die Elemente der Sprache und Musik – Konsonanten, Vokale, Takt, Versmaß, Rhythmus, Melos und Vieles mehr – erscheinen durch Eurythmie als sichtbare Sprache und sichtbarer Gesang in Bewegungen am Menschen und in Menschengruppen.

Musik und Sprache sind urmenschliche Tätigkeiten und tief innerseelischer Ausdruck, welcher durch die eurythmische Bewegung in die Sichtbarkeit übergeführt wird. Bei jedem Zuhören und selber Sprechen und Singen sind im gesamten Organismus feine Bewegungen stets vorhanden, die bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Jeder Ton, jeder Laut hat eine andere Schwingung und somit in der Eurythmie auch jeweils eine andere Bewegung. Wir greifen mit unserem physischen Leib etwas auf und setzen es in der Bewegung in Zeit und Raum um, was universeller Herkunft ist, so wie wir letztlich auch.

Dieses unbewusste – und später mehr und mehr bewusste Erleben, „Im eurythmischen Bewegen bin ich authentisch mit mir und der Welt“, stärkt und kräftigt mein Menschsein und selbstverständlich den Willen, meine Urteilsfähigkeit, mein Gespür für Wahres. In diesem Sinne ist es ein zentrales Fach in der Waldorfschule, da es den „ganzen Menschen“ berührt, bewegt und erzieht.

Quelle: Helene Kilders, Freie Waldorfschule Heidelberg

In den Klassen 9 und 10 werden im Kunstunterricht Zeichnen, Malen und Plastizieren unterrichtet. Die Schüler haben die Gelegenheit, anhand von verschiedenen Techniken ihre Fähigkeiten in den bildnerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu schulen.

In Klasse 11 und Klasse 12 bieten wir im Rahmen des Kunstunterrichts das Fach Gestalten an.

In Klasse 12 fertigen die Schüler eine Jahresarbeit wahlweise im Fach Gestalten oder im Fach Schreinern an, wobei für die Jahresarbeit „Gestalten“ die bildnerischen Mittel themenbezogen angewandt werden. Diese Jahresarbeit ist Bestandteil der Fachhochschulreifeprüfung.

Unter „Präsentation der Jahresarbeiten Klasse 12“ auf der Seite regelmäßige Veranstaltungen finden Sie eine beispielhafte Zusammenstellung von Jahresarbeiten aus dem Bereich Gestalten.

Holger Schwöbel, Fachlehrer Kunst

S’Läbe isch koin Ponyhof

Vor allem nicht im Schulgarten auf der „Rauen Alb“. Trotzdem geben wir Schüler und Lehrer hier unser Bestes. Der Gartenbauunterricht ist fester Bestandteil des Lehrplans der Klassen 6, 7, 8 und teilweise 9. Die Inhalte ergeben sich aus den Jahreszeiten, den Notwendigkeiten auf unserem Schulgelände und der angepflanzten Blumen-, Gemüse- und Beerenarten; und die Pflege der Gehölze gehört auch dazu.

In Klasse 6 liegen die Arbeitsschwerpunkte auf der Bodenbearbeitung und -verbesserung, der Anzucht, Pflege und Ernte von möglichst unterschiedlichen Kulturpflanzen, sowie der Weiterverarbeitung und Veredelung unserer Produkte. In Klasse 7 werden diese Tätigkeiten differenzierter fortgeführt. Zur erweiterten Artenkenntnis kommen auch einfache Anbaupläne und Fruchtfolgen sowie der saisonale Überblick. In Klasse 8 arbeiten die Schüler u.a. projektbezogen auf dem Schulgelände (z.B. Bau eines Hochbeets) und darüber hinaus (Artenschutz, Ökologie). Die Themen in Klasse 9 sind die ungeschlechtliche Vermehrung und der Gehölzschnitt in Theorie und Praxis.

Insgesamt geht es uns darum, trotz möglicher äußerer (wie Hitze, Kälte oder Regen) und innerer (wie Lustlosigkeit oder falsche Kleidung) Widrigkeiten sinnvoll praktisch tätig zu sein und das Ergebnis dann früher (z.B. Salat) oder später (z.B. Apfelbaum) erleben und genießen zu können.

Also säen, pikieren und pflanzen wir im Frühjahr. Wir lernen, dass eine Tomate nicht unbedingt rund und rot und dass eine Gurke nicht immer lang und grün sein muss. Im Sommer wird gepflegt, gegossen und genascht, im Herbst geerntet und haltbar gemacht. Dazu beliefern wir unsere Schulküche mit allem, was wir angebaut und geerntet haben. In der Vorweihnachtszeit darf sich jeder einen Adventkranz binden. Mit der Werkzeugpflege schließen wir dann das Jahr ab.

Und im Frühjahr heißt es dann wieder auf ein Neues: schaufeln, graben, Schubkarren fahren, Kompost sieben, Kartoffeln stecken, Mist verteilen. Vielleicht ist es bei uns doch so ein bisschen wie auf einem Ponyhof, bloß ohne Ponys…

Raphael Trostel, Fachlehrer Gartenbau

Flinke Finger – Flinke Gedanken

Der Handarbeitsunterricht wird an unserer Schule in Klasse 1 – 8 mit jeweils zwei Stunden pro Woche angeboten.

Wozu lernen die Kinder heute noch stricken, häkeln, sticken und nähen. Ist das nicht veraltet und überflüssig?

Es gibt mehrere Gründe, warum der Handarbeitsunterricht (und auch andere handwerkliche Fächer) an der Waldorfschule einen so hohen Stellenwert haben:

(1)  Im Laufe eines Schulvormittags ist es für einen abwechslungsreichen und entspannten Ablauf hilfreich, wenn sich an einen kognitiven Unterricht, der die Denk- und Lernkräfte erfordert, ein praktischer Unterricht anschließt, der sich mehr auf das Lernen durch Tätigkeit konzentriert und die Gestaltungskräfte sowie die Feinmotorik fördert.

(2)  Wie in vielen anderen Fächern erleben die Schüler auch im Handarbeitsunterricht die Kulturgeschichte der Menschen (hier in Bezug auf die textilen Handwerke). Sie lernen verschiedene Techniken kennen, mit denen die Menschen sich im Laufe der Jahrhunderte gekleidet und gewärmt haben und mit Hilfe derer sie sich nützliche Gegenstände herstellen konnten. Mit dem Nähen an der elektrischen Nähmaschine in der Klasse 8 erreichen die Schüler auf dieser Zeitreise das industrialisierte Zeitalter und damit die Gegenwart.

(3)  Das Erlernen der verschiedenen Techniken im Handarbeitsunterricht fordert immer wieder die Aufmerksamkeit der Schüler. Beim Erstellen einer Handarbeit braucht es Geduld, Durchhaltevermögen und Geschicklichkeit. Aber auch die Ästhetik und Schönheit sind wichtig: Farben und Formen sollen eine solche Arbeit in seiner Funktion unterstreichen. So wird in der Handarbeit immer eine schöne, sauber gearbeitete und individuell gestaltete Arbeit angestrebt. Ziel dabei ist jedoch nicht das Endprodukt sondern der Weg dorthin.

(4)  Der wohl wichtigste Aspekt des Handarbeitsunterrichtes ist die schon von Rudolf Steiner beschriebene und heute durch die moderne Hirnforschung nachgewiesene Tatsache, dass sich das Erlernen komplexer feinmotorischer Fähigkeiten wie z.B. das Stricken positiv auf die Entwicklung des Denkvermögens auswirkt. Besonders die gleichschwierigen aber nicht gleichartigen Tätigkeiten beider Hände beim Handarbeiten sowie die entsprechende Koordination bauen wichtige Verbindungen im Gehirn auf und fördern so die Denk- und Kombinationsfähigkeit.

Cordula Mentele, Fachlehrerin Handarbeit

Heute bringen die Kinder mehr Bewegungsdrang mit, dem durch einen abwechslungsreichen Tagesablauf zwischen konzentriertem, kognitiven Lernen und dem Tätigsein in Bewegung, oder bei einer praktischen Arbeit entsprochen werden kann.

Hierbei dienen die handwerklichen Unterrichtsfächer nicht nur als Ausgleich, sondern haben als notwendige Ergänzung zum „Kopflernen“ eine besondere Bedeutung,

Wir bieten Werkunterricht an unserer Schule in Klasse  5 – 8 an. Die Schüler erlernen und üben den fachgerechten Umgang mit Handwerkzeugen für die Gestaltung ihrer vornehmlich aus Holz gefertigten Gegenstände. Anfangs sind diese Werkstücke noch eher einfach gehalten und werden unter Zuhilfenahme einfachster Werkzeuge aus einem gewachsenen Stück Holz gefertigt.

Während in den unteren Klassen die künstlerische Ausgestaltung mit den Schnitzwerkzeugen im Vordergrund steht, werden in der oberen Mittelstufe auch komplexe, mehrteilige Werkstücke aus sorgfältig zugerichteten Teilen zusammengesetzt. Dies erfordert handwerkliche Exaktheit bei der Arbeit und umfangreichere Kenntnisse und Fertigkeiten. So wird bei der Planung eines Kleinmöbels das räumliche Denken ebenso geschult wie ein vertieftes Verständnis für eine werkgerechte Abfolge der Arbeitsschritte. 

Holz setzt der Bearbeitung und demzufolge auch dem Bearbeitenden naturgemäß einen Widerstand entgegen, der von den Schülern überwunden werden muss. Ausdauer, Geduld und Geschicklichkeit sind daher zentrale Elemente im Arbeitsprozess mit diesem Material.

Die einfachen und funktionalen Gegenstände können schließlich nach der langwierigen Herstellung von den Schülern mitgenommen werden. Durch die künstlerische und handwerkliche Arbeit können sich die Schüler selbst erleben und sich am Ende des Tages über die Früchte ihrer Hände Arbeit freuen.

Ludwig Tangemann, Fachlehrer Werken

Das Handwerk bildet die goldene Mitte

In der Oberstufe verwandelt sich der Werkunterricht zum Schreinerhandwerk. Das exakte Zusammenfügen von Holzverbindungen zu Gebrauchsgegenständen ist nun die Anforderung an die Schüler.

Dabei gilt es, dem Arbeitsprozess alle Sinne aufmerksam zur Verfügung zu stellen und diese weiter zu schulen, damit die Projekte gelingen können. Das Auge tastet die Oberfläche ab, beobachtet die scharfe Schneide des Stechbeitels oder verfolgt aufmerksam den Lauf der Säge. Die Bewegung der Hand und der sichere Stand der Füße müssen aufeinander abgestimmt sein. Die Geräusche und der Geruch des Materials geben weitere Informationen über das eigene Tun. Erst wenn dieses Zusammenspiel der Sinne in höchste Konzentration mündet, wird die Hand zu einem intelligenten Werkzeug und die Ich-Präsenz wird geschult.

In diesem Handwerk sind rechtwinklige Kanten, exakte Fugen und ein fachgerechter Umgang mit Werkzeugen und Material ein absolutes Muss. Dabei ist oft nicht der Lehrer das Korrektiv sondern das Material.

Zunehmend werden die Aufgabenstellungen komplexer, die Holzverbindungen schwieriger und die Projekte umfangreicher. Auch der sichere Umgang mit den Holzbearbeitungsmaschinen ist Bestandteil des Unterrichts. So entstehen z.B. ein Hocker, Werkstücke mit traditionellen Holzverbindungen und kleine Möbelstücke.

In der Klasse 12 wird ein Abschluss-Möbelstück selbstständig gebaut. Unter „Präsentation der Jahresarbeiten Klasse 12“ auf der Seite regelmäßige Veranstaltungen finden Sie eine beispielhafte Zusammenstellung von Jahresarbeiten aus dem Bereich Schreinern.

In der Fachhochschulreifeprüfung werden dieses Möbelstück, eine mehrstündige Arbeitsprobe und eine mündliche Abfrage der fachtheoretischen Kenntnisse verlangt.

Durch diese praktische Allgemeinbildung in allen Schulwerkstätten wird der Heranwachsende mit der Konsequenz seines Handelns und Denkens geschult und zur handwerklich-technischen Arbeit befähigt.

Tobias Hille, Fachlehrer Schreinern

Das Schmieden findet bei uns im Rahmen des FPU-Unterrichts (fachpraktischer Unterricht) der Klassen 9 und 10 statt. Noch immer gilt in der Schmiede das alte Sprichwort: „Man muss das Eisen schmieden so lange es heiß ist!“ Genau genommen muss das Eisen glühen, sonst lässt es sich nicht bearbeiten und in die gewünschte Form bringen. Aber das ist gerade das Faszinierende an diesem Tun, denn was im kalten Zustand zäh und hart ist, wird im erhitzten und rotglühenden Zustand weich und mit dem Hammer formbar. Beim Entfachen des Schmiedefeuers kann der Raum schon noch etwas verraucht sein. Doch wenn das Feuer munter brennt, zieht der Abluftkamin den Rauch weg und die ersten Eisen werden dann ins Feuer gelegt. Das helle, rhythmische Klingen von Hammer und Amboss erfüllt bald den ganzen Raum. Das Feuer muss stets „gefüttert“ d.h. gepflegt werden, denn wenn dem Feuer nicht genug Kohle zur Verfügung steht, kann keine ausreichende Gluthitze entstehen. So flackert das Feuer an der dunkelsten Stelle des Raumes, und man hat den Eindruck, dass das Eisen und die Kohle mit ihrem Holz- und Schwefelgeruch riechbar sind.

Diese Eindrücke aus dem uralten Schmiedehandwerk wollen wir den Jugendlichen vermitteln. Gerade dem rhythmischen und kraftvollen Bearbeiten des Werkstücks mit dem Hammer kommt große Bedeutung zu. Denn auch hier gilt der alte Leitsatz: „Rhythmus ersetzt Kraft“, d. h. nur wer rhythmisiert und ausdauernd seine Kräfte einsetzt, kann sein angestrebtes Werk vollbringen.

Im Rahmen dieses Erlebnisprozesses mit seinen verschiedenartigen Wahrnehmungen, lernen die Schüler auch die wichtigsten Werkzeuge und das richtige Verhalten in der Werkstatt kennen. Alles muss am richtigen Platz sein, denn wenn erst der Hammer gesucht werden muss, ist beim Auffinden des Werkzeugs das Eisen vielleicht schon zu kalt, um es zu schmieden.

Wenn das Werkstück geglückt und mit nach Hause genommen werden kann, erfüllt das die Schüler üblicherweise mit Stolz und Freude. Denn vieles gilt es zu beachten und zu befolgen: wenn das Werkstück einmal zu lange im Schmiedefeuer erhitzt wird, kann dies ausreichen, um stundenlanges Bemühen zunichte zu machen, da das Eisen wie eine Wunderkerze verbrennt.

Achim Kurz, Fachlehrer Schmieden