Pädagogik

Lernen vollzieht sich subjektiv und individuell unterschiedlich vor dem Hintergrund allgemeiner Entwicklungsgesetze. Im Kindergartenalter ist es, anders als später in der Schulzeit, ein indirekter, impliziter Vorgang, für den nicht Reflexion und gedankliche Aktivität maßgeblich sind, sondern Tätigkeiten und Wahrnehmungen. Bei dem selbstentdeckten, persönlichkeitsbezogenen Lernen entwickeln die Kinder ein Bild von sich, von Anderen in der Gemeinschaft und von der Welt.

Wesentliche Grundlagen des kindlichen Lernens sind Rhythmus und Wiederholung und dadurch Verlässlichkeit und Orientierung, Vorbild und Nachahmung sowie sensomotorische Integration.

All dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Eltern. Einzelgespräche und Elternabende dienen dem Austausch und geben Hilfestellungen bei Erziehungsfragen.

Viel stärker noch als der Erwachsene braucht das Kind für seine gesunde Entwicklung Rhythmus und Wiederholung.  Deshalb achten wir auf einen geregelten Tagesablauf mit einer ausgewogenen Abwechslung von Aktivitäts- und Ruhephasen sowie Wechseln zwischen aktiven (z.B. Freispiel) und passiven Zeiten (z.B. Reigen und Märchenkreis angeregt durch die Erzieherin).

Wir geben daher den Tagen mit nachvollziehbaren und sich wiederholenden Abläufen eine klare Struktur. So gibt es zum Beispiel an jedem Wochentag ein anderes Frühstück, das aber wöchentlich wiederkehrt. Durch wiederkehrende Abläufe entsteht für das Kind Sicherheit, Verlässlichkeit und Orientierung. Die Welt wird für das Kind berechenbar; es weiß, was passiert. Es vertieft sein Erleben und seine Eindrücke und fühlt dadurch Geborgenheit.

Die einzelnen Tage sind in den Wochenrhythmus sowie in den Jahresablauf eingebunden. Die Höhepunkte sind die Jahresfeste, die wir im Kindergarten feiern (siehe „Jahreszeiten erleben“).

Kinder lernen in den ersten Lebensjahren überwiegend durch Nachahmung ihrer unmittelbaren Umwelt. Dabei nimmt das Kind unbewusst mit seinen Sinnen vielfältigste Dinge aus seiner Umgebung auf, wie z.B. Farben, Gerüche, Formen aber auch Tätigkeiten und Handlungen der Menschen in seiner Umgebung.

Unser Anliegen ist es, die Kinder in ihrer Nachahmungsfähigkeit zu stärken. Hierfür versuchen wir, Vorbild für die Kinder zu sein, indem wir sinnvolle, nachvollziehbare und für das Kind verständliche Tätigkeiten verrichten. Ganz unbewusst eignet sich so das Kind motorische, soziale und gedankliche Fähigkeiten an. Das Kind geht damit den Weg vom handelnden Menschen, der erst probiert ehe er versteht, zum bewusst handelnden Menschen.

Bis zum Alter von sieben Jahren ist das Gehirn vorwiegend eine „Verarbeitungsmaschine“ sinnlicher Wahrnehmungen. Das bedeutet, dass es Dinge fühlt und deren Bedeutung direkt über die Empfindungen erfasst.

Ein junges Kind macht sich nicht viele Gedanken und Ideen über Gegenstände; es ist vorwiegend damit beschäftigt, sie zu fühlen und seinen Körper in Beziehung zu diesen Empfindungen reagieren zu lassen. Seine Anpassungsreaktionen gehen eher von den Muskeln als vom Verstand aus. Sie sind viel eher motorisch als geistig konzipiert. Und deshalb nennt man die ersten sieben Jahre im Leben eines Kindes die Jahre der sensomotorischen Entwicklung.

Wenn das Kind älter wird, ersetzen geistige und soziale Reaktionen einen Teil der sensomotorischen Aktivitäten. Trotzdem sind geistige und soziale Funktionen auf sensomotorischen Prozessen aufgebaut. Die sensorische Integration, die sich beim Bewegen, Reden und Spielen vollzieht, ist die Grundlage für die komplexere sensorische Integration, die nötig ist für Lesen, Schreiben und gutes Verhalten. Wenn die Prozesse der Sensomotorik in den ersten sieben Jahren des Lebens gut geordnet worden sind, wird es das Kind später leichter haben, geistige und soziale Fähigkeiten zu erlernen.

Jean Ayres, Bausteine der kindlichen Entwicklung, Springer Verlag 2002

Um dies zu fördern, gestalten wir Räume, Spielmaterial und Beschäftigungen so, dass die gesunde Entwicklung aller Sinne des Kindes unterstützt werden. Wir möchten Fantasie und Kreativität der Kinder durch Naturmaterialen und wenig ausgestaltetes Spielmaterial ebenso wie durch bildreiche, erzählte Geschichten anregen.

Im freien Spiel setzt sich das Kind mit der Welt auseinander; es ist in seiner Intensität und Konzentration der Arbeitswelt des Erwachsenen gleichzusetzen.

In den Freispielzeiten sind die Kinder in unserem Kindergarten völlig frei, mit den vorhandenen Materialien, Möbeln usw. selbstbestimmt und ihrem eigenen Antrieb entsprechend allein oder mit anderen Kindern zu spielen.

Unser Spielmaterial ist weitgehend naturbelassen und frei von bestimmten Verwendungszwecken und bietet so ein reichhaltiges Betätigungsfeld zur Entfaltung des kreativen Potentials des Kindes. Dabei wird die Fantasiefähigkeit angeregt und es entwickeln sich Gedächtnis- und Vorstellungskräfte, die u.a. die Grundlagen für schulisches Lernen und zielgerichtetes Handeln bilden.

Soziales Verhalten entwickelt sich in verschiedenen Altersstufen auf unterschiedliche Weise. In der Gruppe erleben die Kinder im alltäglichen Geschehen auch den Umgang mit jüngeren und älteren Kindern. Die kleinen Kinder lernen am Vorbild der Größeren, eifern ihnen nach oder wenden sich mit kleinen Problemen an sie.

Beim Freispiel im Gruppenraum sowie draußen im Garten gibt es vielfältige Möglichkeiten, seinen Platz zu finden und eine Rolle in der Gruppe zu ergreifen. Dabei erlebt das Kind Grenzen und Verbundenheit sowie den Umgang mit Regeln.

Die Aufgabe der Erzieherin ist es, einen Rahmen für das Miteinander der Kinder zu schaffen, in dem jedes Kind mit seinen individuellen Belangen seinen Platz finden kann. Konfliktsituationen begleiten wir aufmerksam und geben Hilfestellung, wenn es erforderlich ist.

Sprache und Sprechen lernt das Kind in einer sprechenden Umgebung. Daher bemühen wir uns, mit den Kindern in einer liebevollen, klaren und deutlichen Weise zu sprechen, sowie ihnen Zeit und Aufmerksamkeit zum eigenen Erzählen zu geben. Wir sprechen die Kinder nach Inhalt und Wortgebrauch altersgemäß an, aber nie kindisch oder in Kleinkind-Sprache, sondern wir verwenden eine bildhafte, fantasievolle Sprache, die bei den Kindern Freude an der Sprache und Gestaltungskraft anregt.

Das tägliche Wiederholen von z.B. Fingerspielen, Sprüchen, Reigen sowie Geschichten und Märchen über längere Zeiträume hilft den Kindern, sich einen großen und vielfältigen Wortschatz anzueignen. Immer wieder im Verlauf des Tages schaffen wir Momente der Stille und der besonderen Aufmerksamkeit, z.B. beim Lauschen auf Töne in der Natur, beim Spielen eines Instrumentes oder beim gegenseitigen Zuhören.

Jede natürliche Bewegung der Grob- und Feinmotorik strukturiert und stärkt das Muskel- und Nervensystem. Bei den verschiedensten Tätigkeiten, z.B. beim Bauen mit unterschiedlichen Materialien spürt das Kind seine eigenen Fähigkeiten, lernt Gleichgewicht zu halten und Widerstände zu überwinden. Darüber hinaus entwickelt das Kind Mut, Kraft und Selbstvertrauen.

Bei Spaziergängen, Aufenthalt im Garten und beim wöchentlichen Waldtag wird die Grobmotorik durch Aktivitäten, wie z.B. Stelzenlaufen, Klettern, Seilspringen, auf Baumstämmen Balancieren, Hüpfspielen gefördert.

Feinmotorische Fähigkeiten üben die Kinder z.B. durch die Mithilfe bei der Zubereitung des Frühstücks, beim Schneiden von Obst und Gemüse oder beim Kneten und Ausformen von Teig, bei Fingerspielen, beim Nähen und Basteln oder beim Malen.

Beim Reigen bewegen sich die Kinder zu Liedern, Reimen und Gedichten und führen Gesten und Gebärden aus. Sie verknüpfen auf diese Art und Weise ihre akustischen Wahrnehmungen mit Inhalten und drücken dies in fantasievoller Bewegung aus.

Einmal pro Woche findet Eurythmie unter der Leitung einer ausgebildeten Eurythmistin statt. In dieser künstlerischen Form der Bewegung erlebt das Kind rhythmisch in Bewegung gebrachte Sprache (Märchen, Geschichten) und ahmt diese nach. Eurythmie unterstützt das Kind dabei, körperlich und seelisch ins Gleichgewicht zu kommen und sich selbst und im Kreis der Gruppe wahrzunehmen.